Wie viele Informationen passen in unser Kurzzeitgedächtnis?
Unser Kurzzeit- oder Arbeitsgedächtnis hat begrenzte Ressourcen und Platz für nur fünf bis neun Informationseinheiten. Diese Informationen werden verarbeitet und vorübergehend gespeichert, etwa 20 Sekunden lang. Zum Beispiel: Wo habe ich meine Tasche abgestellt? Welchen Termin muss ich noch zusagen? Oder wie lautet der gerade zugeschickte Freischaltcode? Danach werden die Informationseinheiten gelöscht, um wieder Platz für Neues zu schaffen. Oder sie gehen ins Langzeitgedächtnis über.
Mithilfe unseres Smartphones füttern wir unser Kurzzeitgedächtnis in hohem Tempo mit unendlich vielen Informationseinheiten, die gar nicht alle verarbeitet werden können. Noch dazu werden sie schlechter verarbeitet, wenn das Gehirn keine Pausen zwischen den einzelnen Informationen hat. Dieser Prozess erschöpft uns und ist darüber hinaus völlig sinnlos. Denn die meisten dieser Informationen gehen nachweislich verloren.
Wie beeinflussen uns Push-Meldungen?
Push-Meldungen setzen uns permanent unter Druck, weil Sie uns an Unerledigtes erinnern: Wenn Sie eine Aufgabe gerade nicht erledigen können und auf später verschieben müssen, dann kann es gut sein, dass Ihre Gedanken in den nächsten Stunden, Tagen oder gar Wochen immer wieder um dieses Thema kreisen, bis Sie gedanklich einen Haken daruntersetzen. Denn mit unerfüllten Aufgaben beschäftigt sich unser Gehirn wesentlich länger und ausdauernder als mit abgeschlossenen. Ein erledigtes To-do verschwindet dagegen in der Regel relativ schnell wieder aus unserem Gedächtnis. In der Psychologie spricht man vom "Zeigarnik-Effekt".
Das Smartphone unterstützt dieses Phänomen. Denn in dem Moment, in dem Sie eine Push-Nachricht erhalten oder wieder einmal ihr Handy aktivieren, werden Sie immer und immer wieder daran erinnert, dass noch unerfüllte Aufgaben auf Sie warten. Diese wiederkehrenden Erinnerungen setzen uns enorm unter Druck.
Kann man handysüchtig sein?
Handys haben in der Tat ein hohes Suchtpotenzial. Die digitale Welt, die sich uns mit nur einem Klick eröffnet, bietet ein so breites Spektrum an Möglichkeiten, dass man gedanklich regelrecht in diese Welt hineingesogen wird. Gerade wer viel in den sozialen Medien unterwegs ist, kann schnell süchtig werden nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuspruch. Denn – ist die Reaktion auch noch so klein – bei jedem neuen „Like“, „Share“ oder „Follower“ schüttet unser Gehirn vermehrt das Glückshormon Dopamin aus. Aber auch die Angst, ohne das Smartphone keine Kontrolle über den Alltag mehr zu haben, ohne das Handy in eine innere Leere zu fallen oder etwas zu verpassen, lässt viele das Gerät nur schwer aus der Hand legen.
Die Symptome der Handysucht können sich auf vielfältige Weise zeigen und sind individuell ganz verschieden: von der gedanklichen Fixierung über Niedergeschlagenheit bis hin zu analogen Entzugserscheinungen wie Zittern, Herzrasen oder körperliche Unruhe.
Zum Steckbrief von Prof. Dr. Dirk Windemuth
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