Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen, barrierefreie Arbeitsplätze einzurichten?
Kleine Unternehmen haben häufig die Sorge, etwas falsch zu machen, wenn sie einen Menschen mit Behinderung einstellen möchten. Sie sorgen sich, dass sie das nicht ordentlich hinbekommen. Anders sieht die Situation aus, wenn sie Beschäftigte haben, die aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung auf einmal eine Behinderung oder eine Beeinträchtigung haben. Dann kennt man den Menschen und weiß eher mit der neuen Situation umzugehen. Ich glaube die größte Herausforderung für kleine Unternehmen ist es, die richtigen Anlaufstellen zu kontaktieren. Sie wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können und wer sie unterstützt – sowohl beratend als auch finanziell.
Gibt es für diese Unternehmer denn einfache und kostengünstige Mittel, barrierefreie Arbeitsplätze einzurichten?
Grundsätzlich sollte ein Unternehmen vorab klären, ob man im gesamten Betrieb die Arbeitsplätze barrierefrei gestalten oder ob man für einen Mitarbeitenden dessen Arbeitsplatz behindertengerecht einrichten will. Das sind nämlich Riesenunterschiede – nicht nur in der Planung, sondern auch finanziell. Grundsätzlich ergibt es Sinn, bei der Planung eines Neubaus die Barrierefreiheit mitzudenken. Weil in der Regel alle etwas davon haben, beispielsweise auch die Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund von Alter oder Krankheit körperlich beeinträchtigt sind und dies nicht kundtun möchten. Aber auch in diesen speziellen Situationen haben Unternehmen manchmal zu wenige Informationen und denken, das kann teuer werden. Dem ist aber nicht unbedingt so. Es gibt Anlaufstellen wie die Integrationsfachdienste, die die Unternehmen dahingehend beraten, welche finanziellen Zuschüsse sie beantragen können.
Welche Fehler werden denn bei der Einrichtung von barrierefreien Arbeitsplätzen gemacht? Wie können diese vermieden werden?
Was tatsächlich häufig passiert: Ein Arbeitsplatz wird geplant, ohne vorher mit dem Betroffenen zu sprechen. Das Unternehmen macht sich viel Mühe und gibt Geld aus, anschließend sagt der Beschäftigte, das ist ja alles ganz toll, aber das hätte ich so nicht gebraucht. Dafür fehlen elementare Dinge, weil man nicht wusste, dass diese benötigt werden. Es ist also wichtig, die Kolleginnen und Kollegen mit einzubeziehen – und zwar am besten alle. So kann man eine Neiddebatte nach dem Motto „Warum bekommt der das und ich nicht?“ im Unternehmen vermeiden.
Und was hat das Unternehmen langfristig davon?
Vielfalt in der Belegschaft ist oft bereichernd für das Unternehmen selbst. Es kann seine Beschäftigten mit Beeinträchtigungen weiterhin beschäftigen und so auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel reagieren. Es wird als Arbeitgeber attraktiver, kann unter mehr Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt auswählen und steigert dadurch sein Image in der Öffentlichkeit und bei seinen Kunden.
Gert Liebetanz ist Stellvertretender Leiter Sachgebiet Barrierefreie Arbeitsgestaltung bei der DGUV