Ein Gefahrstoffsymbol mit einer Lunge, eine Ampel, im Hintergrund Asbestfasern
Datum der Veröffentlichung: Lesezeit: 3 Minuten

Gefahrstoffverordnung – was ist neu?

Seit dem 5. Dezember 2024 gilt eine novellierte Gefahrstoffverordnung in Deutschland. Sie hat einige Änderungen mit sich gebracht, um Beschäftigte bestmöglich vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. Verankert wurde vor allem ein „Ampel-Modell“ für krebserzeugende Gefahrstoffe und die Einführung neuer Asbestregelungen.

Das Wichtigste im Überblick

  • Am 5. Dezember 2024 ist die novellierte Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) in Kraft getreten. 
     
  • Eine Neuerung ist die Verankerung eines risikobezogenen Maßnahmenkonzepts für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen. Dieses „Ampel-Modell“ wird bereits seit einigen Jahren über die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 910 angewendet.
     
  • Außerdem beinhaltet die GefStoffV eine Anpassung an die zuletzt geänderte europäische Krebsrichtlinie sowie die Einführung neuer Asbestregelungen, insbesondere beim Bauen im Bestand.

Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) enthält Regelungen zum Schutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Als Gefahrstoffe werden zum Beispiel solche Stoffe, Gemische und Erzeugnisse bezeichnet, die entzündbar, akut toxisch, ätzend oder krebserzeugend sind. Ausführliche Informationen über einzelne Gefahrstoffe enthält die GESTIS-Stoffdatenbank , die vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) bereitgestellt wird. 

Risikobezogenes Maßnahmenkonzept

Portraitfoto von Dr. Stefan Auras, BGHW
Dr. Stefan Auras, BGHW

Das bereits seit einigen Jahren über die Technische Regel TRGS 910 angewendete risikobezogene Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen ist nun auch in der Gefahrstoffverordnung verankert. Das Konzept definiert drei Risikobereiche: niedriges Risiko (grün), mittleres Risiko (gelb) und hohes Risiko (rot). Mit Hilfe dieses „Ampel-Modells“ können Unternehmen für die Arbeit mit krebserzeugenden Gefahrstoffen die Schutzmaßnahmen risikobezogen festlegen. 

„Je höher die Belastung mit Gefahrstoffen am Arbeitsplatz ist, desto anspruchsvoller müssen die Schutzmaßnahmen für Beschäftigte sein und desto dringlicher ist deren Umsetzung“, erklärt Dr. Stefan Auras, Gefahrstoffexperte bei der BGHW. Wenn bei Arbeiten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden, so genannten keimzellmutagenen Gefahrstoffen (Kategorie 1A oder 1B) trotz Ausschöpfung technischer Schutzmaßnahmen der Arbeitsplatzgrenzwert überschritten wird oder Tätigkeiten im Bereich mittleren Risikos stattfinden, muss der Arbeitgeber sofort handeln. Er muss dann einen Maßnahmenplan erstellen, um die Gefährdung zu minimieren.

„Ziel ist es, den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten oder in den Bereich des niedrigen Risikos zu gelangen“, so Auras. Der Maßnahmenplan muss drei Punkte enthalten: die vorgesehenen Maßnahmen, die angestrebte Minderung der Exposition sowie den geplanten Zeitrahmen. 

Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen (Kategorie 1A oder 1B), bei denen der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird oder die im Bereich hohen Risikos ausgeübt werden, sind den zuständigen Aufsichtsbehörden für den Arbeitsschutz unter Angabe der ermittelten Exposition zusammen mit dem Maßnahmenplan mitzuteilen. Die Frist dafür beträgt zwei Monate. 

Was sind Arbeitsplatzgrenzwerte?

Arbeitsplatzgrenzwerte schützen Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Sie geben an, bis zu welcher Menge ein Stoff im Allgemeinen keine gesundheitlichen Schäden verursacht. Die Werte basieren auf medizinischen und toxikologischen Erkenntnissen.

Verbindliche Grenzwerte (Binding Occupational Exposure Limit Value - BOELV) sind auch ein wichtiger Bestandteil der in der EU-Krebsrichtlinie festgelegten allgemeinen Vorkehrungen zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Stoffen.

Eine praktische Grenzwertliste für den Arbeitsschutz gibt es hier.

Symbol mit einem Ausrufezeichen

Tätigkeiten mit Asbest: Was ist neu und was gilt es zu beachten?

Die neue Gefahrstoffverordnung bringt wichtige Änderungen für Arbeiten an Bestandsgebäuden bei Tätigkeiten mit Asbest:

  • Tätigkeiten zur funktionalen Instandhaltung sind nun im Bereich niedrigen und mittleren Risikos legalisiert worden. Dazu gehört zum Beispiel das Fräsen eines Schlitzes in asbesthaltigem Putz für Elektroleitungen – sofern die notwendigen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. 
     
  • Arbeiten im Bereich hohen Risikos unterliegen weiterhin strengen Anforderungen. Sie können in der Regel nur von zugelassenen Fachfirmen durchgeführt werden.
     
  • Die Gefahrstoffverordnung orientiert sich am Stichtag des Inkrafttretens des Asbestverbots. Somit muss in allen Gebäuden, die vor dem 31.10.1993 errichtet wurden, mit Asbest in den Baustoffen beziehungsweise der Bausubstanz gerechnet werden. 
     
  • Mitwirkungs- und Informationspflicht: Veranlasser von Bauarbeiten müssen beauftragten Unternehmen alle ihnen vorliegenden relevanten Informationen zur Verfügung stellen, im Wesentlichen zum Baujahr beziehungsweise zum Baubeginn des Gebäudes oder zur Schadstoffbelastung. Diese Daten sind vom Auftragnehmer in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.
     
  • Neu eingeführt werden Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten, die Arbeiten mit Asbest durchführen. Diese müssen über Grundkenntnisse zu Asbest, eine so genannte Fachkunde, verfügen. Hier gilt eine dreijährige Übergangsfrist. Für Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien bleibt die Sachkunde der aufsichtführenden Person und die Anzeigepflicht für die Unternehmen bestehen. 
     
  • Die feste Überdeckung, Überbauung oder Aufständerung an Asbestzementdächern, zum Beispiel durch die Installation von Photovoltaikanlagen, bleibt verboten. Neu ist ergänzend ein Überdeckungsverbot für Asbestzement-Wand- und Deckenverkleidungen sowie asbesthaltige Bodenbeläge. Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an nicht vollflächig beschichteten Asbestzementdächern und Außenwandverkleidungen aus Asbestzement bleiben in Zukunft ebenso verboten.

Dokumentations- und Mitteilungspflichten

Gefahrstoffexperte Auras weist darauf hin, dass krebserzeugende Stoffe auch viele Jahrzehnte später noch zu Berufskrankheiten führen können. Deshalb gibt es schon lange die Pflicht, ein personenbezogenes Expositionsverzeichnis zu führen und aufzubewahren, wie es die Technische Regel TRGS 410 konkretisiert. Dies betrifft Tätigkeiten mit krebserzeugenden und keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B, bei denen eine Gefährdung der Beschäftigten vorliegt. Der Aufbewahrungszeitraum beträgt mindestens 40 Jahre nach Ende des Kontakts mit dem Gefahrstoff (Exposition).  

Zusätzlich sind aufgrund von Änderungen an der europäischen Krebs-Richtlinie nunmehr auch Tätigkeiten mit reproduktionstoxischen Stoffen der Kategorien 1A und 1B, bei denen eine Gefährdung der Beschäftigten vorliegt, zu erfassen. Unter Kategorie 1A fallen Stoffe, die beim Menschen bekanntermaßen schädigend sind und unter die Kategorie 1B solche, die diese Eigenschaft gemäß Studien wahrscheinlich besitzen. Die Aufbewahrungspflicht beträgt mindestens fünf Jahre nach Ende der Exposition. Neu ist auch, dass eine Datenübertragung an den zuständigen Unfallversicherungsträger nicht mehr von der Einwilligung der Beschäftigten abhängig ist. Die Nutzung der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) der DGUV zur rechtssicheren Dokumentation ist somit ohne Einwilligung der Beschäftigten möglich.

Sichere Aufbewahrung und Lagerung

Fünf GHS Gefahrstoffsymbole sind auf blauem Hintergrund fliegend abgebildet

Im Hinblick auf die Aufbewahrung und Lagerung von Gefahrstoffen ergeben sich aus der neuen Gefahrstoffverordnung Erleichterungen. Eine Verschlussregelung in einem Giftschrank oder einem geschlossenen Raum gilt jetzt nur noch für akut toxische Stoffe (Kategorien 1, 2 oder 3). Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass nur zuverlässige Personen darauf Zugriff haben, die fachkundig oder entsprechend tätigkeitsbezogen unterwiesen sind.

Gut zu wissen: Die Neuerungen der Gefahrstoffverordnung – mit Ausnahme der Asbestregelungen – werden auch in einem Video der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) zusammengefasst. Zum Thema „Gefahrstoffe“ bietet die BGHW Seminare an, unter anderem über das Gefahrstoffrecht, und stellt in Kooperation mit anderen Trägern den GDA-Gefahrstoff-Check zur Verfügung.  Dieser ermöglicht insbesondere kleinen und mittleren Betrieben ihren Umgang mit Gefahrstoffen zu überprüfen und zu verbessern.

Hintergrund: Gesundheitsgefahr Asbest

Sanierungsarbeiten durch Arbeiter in weißen Ganzkörperanzügen als Schutzkleidung, die Asbestplatten in einem Plastiksack entsorgen. Davor ein rot-weißes Absperrband.
Besondere Entsorgung von asbesthaltigen Baustoffen bei Sanierungs- und Abbrucharbeiten an älteren Gebäuden. Die Arbeiter tragen spezielle Schutzkleidung.

Die einstige „Wunderfaser“ Asbest ist heimtückisch. Sie galt als besonders widerstandsfähig und hitzebeständig. Erst später stellte sich heraus, dass Asbestfasern krebserregend sind. Das Inverkehrbringen von Asbest und asbesthaltigen Materialien ist in Deutschland deshalb seit dem 31. Oktober 1993 verboten. Jedoch sind noch viele ältere Gebäude mit dem Material belastet. 

Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wurde Asbest insbesondere zwischen 1960 und 1980 in vielen Bauprodukten als Zuschlagstoff eingesetzt, um bestimmte technische Eigenschaften zu erzielen oder die Verarbeitbarkeit der Materialien zu verbessern. Asbest kann zum Beispiel in Dacheindeckungen, Wandverkleidungen, Fußbodenbelägen, Rohren, Dichtungen, Isolierungen, Putzen, Klebern, Spachtelmassen und Anstrichstoffen enthalten sein.

Durch Asbeststaub, der bei Abbruch, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten eingeatmet wird, kann Krebs des Rippen- und Brustfells, der Lunge und des Kehlkopfs entstehen. Beschäftigte im Handwerk und Bauwesen, aber auch Heimwerker, sind noch lange Zeit nach dem Kontakt mit Asbest gefährdet zu erkranken. Schutzmaßnahmen sind entscheidend, um die oftmals tödlichen Gesundheitsschäden zu vermeiden. Dazu ist es wichtig, sich umfassend mit dem Thema Asbest und der Gefahrstoffverordnung auseinanderzusetzen.

 

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