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Das Berufskrankheitenrecht wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Für seine Reform 2021 erarbeitete der DGUV-Vorstand unter der Leitung von Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting (Arbeitgeberseite) und Manfred Wirsch (Versichertenseite) wichtige Vorschläge, fand gute Kompromisse und beeinflusste die Reform erfolgreich.
Herr Dr. von Leoprechting, Herr Wirsch, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat das Berufskrankheitenrecht 2021
reformiert. Sie haben die DGUV-Positionen rechtzeitig eingebracht. Warum?
Dr. Rainhardt von Leoprechting: In der Selbstverwaltung finanzieren wir auf Arbeitgeberseite das System der Unfallversicherung. Daher war es unser Anspruch, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wir wollten vor die Welle kommen und Lösungen erarbeiten. Das Ergebnis war unser DGUV-Weißbuch, das wir dem Ministerium für seine weiteren Überlegungen eingereicht haben.
Manfred Wirsch: Mit unseren Reformvorschlägen wollten wir außerdem deutlich machen, dass wir in den Selbstverwaltungen der Unfallversicherungsträger den Bedarf hatten, offene Fragen im Berufskrankheitenrecht einfach besser zu beantworten, als es bisher geregelt war. Wir wollten unsere Sicht klar formulieren, bevor andere über uns entscheiden. Um die Reformvorschläge haben Sie im Vorfeld selbst gerungen. Welche Punkte waren strittig? Wirsch: Der Wegfall des Unterlassungszwangs war der Versichertenseite beispielsweise ein besonderes Anliegen. Bislang musste ein Versicherter bei einigen, zahlenmäßig stark ins Gewicht fallenden Krankheiten, die krankmachende Tätigkeit aufgeben, um Leistungen der Unfallversicherung zu erhalten. Für viele Beschäftigte war das mit Angst um ihren Arbeitsplatz verbunden. Eine Tätigkeit, die man gelernt hat, zu beenden, das stellte eine Gefahr der Existenzsicherung dar. Darüber haben wir viel debattiert und uns für die Aufhebung des Unterlassungszwangs stark gemacht.
von Leoprechting: Wir auf der Arbeitgeberseite waren der Meinung – und das bin ich auch noch heute –, wenn mich eine berufliche Tätigkeit nachweislich krank macht, dann muss ich sie aufgeben. Aber für Versicherte, die um ihren Arbeitsplatz bangen, ist das natürlich ein sehr scharfes Schwert. Ein tragfähiger Kompromiss war für uns, dem Wegfall zuzustimmen und gleichzeitig verstärkt auf eine Individualprävention zu setzen. Also auf die aktive Mitwirkung der betroffenen Person, wenn sie die berufliche Tätigkeit fortsetzt.
Was waren weitere Knackpunkte?
Wirsch: Die Beweislastumkehr. Zwar gilt in der Unfallversicherung der Amtsermittlungsgrundsatz, lässt sich aber nicht belegen, dass die Tätigkeit zur Krankheit führte, geht dies zu Lasten des Versicherten.
von Leoprechting: In der damals aufkommenden Diskussion um die Reform hat uns auf der Arbeitgeberseite sehr besorgt, dass die Gewerkschaften forderten, speziell die IG Metall, diese Beweislast umzukehren. Der Arbeitgeber solle belegen, dass eine Erkrankung nicht durch die Tätigkeit entstanden sei. Das hätte unser gesamtes System infrage gestellt, nicht nur das der Unfallversicherung. Denn allgemein gilt der Grundsatz, wenn ich einen Anspruch formuliere, muss ich auch die Anspruchsgrundlage beweisen.
Wirsch: Da wir mit der Arbeitgeberseite beim Wegfall des Unterlassungszwangs einen guten Konsens hinbekommen haben, habe ich mich im Gegenzug dafür verwendet, auf der Versichertenseite das Thema der Beweislastumkehr in ein kritischeres Licht zu stellen. Wäre es zu einer Beweislastumkehr gekommen, hätte sich das Entschädigungssystem der Unfallversicherung innerhalb von zwei Jahren pulverisiert. Daher konnte ich die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall dazu bewegen, sich nicht weiter auf dieses Thema zu fokussieren.
Was haben Sie außerdem angestoßen?
von Leoprechting: Auf der Arbeitgeberseite waren wir zum Beispiel unzufrieden mit der Frage, wie Berufskrankheiten entstehten und wie das untersucht wird. Bislang gab es den ärztlichen Sachverständigenbeirat im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Da war völlig intransparent, über welchen Weg und aus welcher Begründung heraus jemand in diesen Beirat kommt und welche Themen dort bearbeitet werden. Wirsch: Durch unseren Vorstoß ist das jetzt geregelt. Heute gibt es zudem eine offizielle Geschäftsstelle bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Es darf hier nicht zu Zufälligkeitsentscheidungen kommen. Berufskrankheiten müssen eine glasklare medizinische Begründung haben, die in Anerkennungsverfahren sauber und gerecht angewendet werden kann.
Wie entscheidend war Kompromissbereitschaft für den Erfolg des Weißbuchs?
von Leoprechting: Sehr wichtig. Wir mussten bereit sein, die Probleme des anderen mitzusehen und sie zu lösen, statt nur auf den eigenen Standpunkt zu pochen.
Wirsch: Außerdem war gegenseitiges Vertrauen absolut erforderlich, damit gegenseitiges Geben und Nehmen funktionierte.
Die Evaluation der Reform steht für 2026 an. Können Sie dennoch bereits ein Fazit ziehen?
Wirsch: Der Reformprozess hat gezeigt, was durch Konsens möglich ist. Wir haben mit dem Weißbuch eine Grundlage geschaffen, die das Ministerium fast vollständig übernommen hat. Das belegt die Stärke der Selbstverwaltung.
von Leoprechting: Außerdem trägt die Reform schon jetzt zu noch mehr Prävention bei. Gesunde Arbeitsplätze sind nun mal günstiger als lebenslange Rentenzahlungen. Insofern ist die Reform ein Gewinn für alle: die Versicherten, die Arbeitgeber und das System insgesamt.
Dr. Rainhardt von Leoprechting und Manfred Wirsch waren in der Reformphase auch Vorstandsvorsitzende der BGHW-Selbstverwaltung. Marita Klinkert, Mitglied der BGHW-Geschäftsführung, betont ihren Verdienst: „Beide Herren haben sehr dazu beigetragen, dass sich die Arbeitgeber- und die Versichertenseite auf die Argumente des jeweils anderen eingelassen haben, was ein hohes Maß an Respekt, Wertschätzung und Kompromissfähigkeit voraussetzt. Diese Kultur des Miteinanders ist prägend für die Arbeit der Selbstverwaltung in der BGHW.“
1925: erste Berufskrankheiten-Verordnung, 11 anerkannte Berufskrankheiten
2016: DGUV reicht beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Weißbuch mit Reformvorschlägen ein
2021: Reform wird umgesetzt
2025: 100 Jahre BK-Recht, 85 anerkannte Berufskrankheiten
2026: Evaluation der Reform
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