
Zahlen und Fakten zu Absturzunfällen
Bei Ab- und Durchstürzen aus der Höhe müssen Betroffene mit schweren körperlichen und seelischen Verletzungen rechnen. Ein Blick auf Zahlen, Fakten und Reha-Fälle.
Bei Ab- oder Durchsturzgefahr denkt man häufig an Hochhausfassaden oder tiefe Baugruben. Doch oft sind es alte Lichtplatten auf Hallendächern, die zur tödlichen Falle werden können. Die kann man vermeiden – durch einfache und wirksame Lösungen.
Die Gefahr lauert oft auf dem Dach – besonders bei Lager- oder Logistikgebäuden aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren. Viele Tageslichtelemente, Lichtplatten oder Lichtkuppeln sind nicht durchsturzsicher. Besonders gefährlich: alte Lichtplatten und -bänder aus Glasfaser oder Kunststoff, die direkt in die Dachfläche integriert sind und eine tödliche Falle sein können. „Gerade dort passieren die meisten Todesfälle“, warnt Ulrich Koch. „Sie sehen stabil aus, sind es aber nicht.“ Koch weiß, wovon er spricht. Er ist Geschäftsführer des Fachverbands für Tageslicht und Rauchschutz (FVLR), berät Architekten und Anwender bei der Planung von Firmengebäuden, und er erzählt: „Auch moderne Lichtkuppeln, die oft aus mehreren dünneren Kunststoffschichten gefertigt sind, sind grundsätzlich nicht durchsturzsicher.“
Was bedeutet das für die Unternehmen? Müssen sie ihre Dächer komplett renovieren, um Ab- und Durchstürze zu verhindern? Die gute Nachricht: Es gibt einfache technische Lösungen. Dazu gehören Gitter unter Lichtkuppeln als kollektive Absturzsicherungen sowie Schutzzäune oder -abdeckungen. Sie verhindern das Schlimmste. Doch viele Unternehmen zögern damit, sie einzubauen. „Investiert wird leider oft erst dann, wenn ein Unfall passiert ist“, stellt Koch nüchtern fest. Dabei schreiben sowohl die Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) als auch die DIN 4426, die die Grundlagen für die Planung und Realisierung von Absturzsicherungen enthält, eine klare Rangfolge vor: Erst kollektive Schutzmaßnahmen (z. B. Geländer, Auffangsysteme), dann organisatorische Maßnahmen und zuletzt Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz. Diese Rangfolge ist sinnvoll und kann Leben retten: Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) machen Absturzunfälle zwar nur rund 2,4 Prozent der meldepflichtigen Unfälle aus, verursachen aber 16 Prozent der tödlichen Unfälle.
Ulrich Koch: Viele denken: „Das passiert mir schon nicht.“ Dabei passieren die meisten tödlichen Abstürze bei ganz alltäglichen Arbeiten – etwa beim Kontrollgang auf dem Dach oder bei Wartungsarbeiten wie dem Reinigen von Dachabläufen. Und oft ist die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zwar vorhanden, wird aber nicht verwendet – sei es aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit. Das ist brandgefährlich.
Mit kollektiven Sicherungssystemen wie Gitter unter Lichtkuppeln oder durchsturzsicheren Abdeckungen. Damit lässt sich dauerhaft Sicherheit schaffen – ohne dass man jedes Mal aufwendig mit PSA arbeiten muss. Viele Lösungen lassen sich auch nachrüsten. Langfristig spart man sogar Geld, weil Wartungen schneller und einfacher werden.
Dass die Unternehmen ihre Verantwortung ernst nehmen – und nicht erst, wenn etwas passiert ist. Wer heute eine Photovoltaikanlage aufs Dach bringt oder regelmäßig Techniker hochschickt, muss für sichere Zugänge und durchdachten Schutz sorgen. Sicherheit muss automatisch wirken – nicht nur, wenn jemand daran denkt.
Ulrich Koch ist Geschäftsführer des Fachverbands für Tageslicht und Rauchschutz (FVLR)
„Die Wahrheit ist: Die PSA wird oft nicht genutzt“, sagt Koch. „Sie bremst, ist unbequem – und wird einfach vergessen.“ Auf hektischen Baustellen oder bei Wartungen ist das fatal. Deshalb sollte die Sicherheit ohne aktives Zutun funktionieren. Kollektive Schutzsysteme wie durchsturzsichere Gitter wirken immer, so der Experte. Ohne Schulung und ohne Gurt. Das verlangt auch die ASR A 2.1 Abschnitt 7.1 (Nicht durchtrittsichere Dächer und Bauteile). Hinzu kommt: Dachflächen sind heute multifunktionale Zonen. Neben Lichtkuppeln, Rauch- und Wärmeabzügen befinden sich dort Klimageräte, Lüftungsanlagen – und immer häufiger Photovoltaikanlagen. Das erhöht nicht nur das Gefährdungspotenzial, sondern erschwert auch die Wartung. „Wenn auf engem Raum mehrere Gewerke unterwegs sind, ist es umso wichtiger, dass die Sicherheitsvorkehrungen automatisch wirken“, sagt der Vorsitzende des Fachverbands. Besonders bei Photovoltaik-Projekten werde das deutlich: Wer heute auf ein Dach steige, treffe dort auf eine komplexe Technik, die nicht immer fachgerecht montiert sei. „Und dann turnen da Monteure in zehn Meter Höhe rum, ohne Sicherung, ohne Ahnung vom Dachaufbau.“ Deswegen fordert Koch: „Wenn Sie Anlagen auf dem Dach haben, müssen Sie auch den sicheren Zugang und die sichere Wartung sicherstellen.“
Koch rät den Unternehmen dazu, das Thema proaktiv anzugehen. „Lassen Sie beispielsweise im Rahmen der nächsten Rauchabzugswartung gleich die Durchsturzsicherung prüfen und nachrüsten.“ Viele Unternehmer wissen zwar nicht, dass ihre Rauchabzugsanlagen regelmäßig gewartet werden müssen, aber das sei sicherheitsrelevant. „Für den Gabelstapler gibt es einen Prüfplan. Und für die Lichtkuppel? Meistens nicht“, so Koch. Und die Kosten? „Sobald die Nachrüstsysteme und kollektiven Schutzmaßnahmen einmal eingebaut sind, sparen die Unternehmen Zeit und Geld, weil sie keine PSA und kein aufwendiges Rettungskonzept mehr benötigen.“ Das sei ein wichtiges Argument vor allem für Betriebe, bei denen regelmäßig Techniker und Monteure von Fremdfirmen auf dem Dach im Einsatz sein. Kochs Appell an die Arbeitsschutzverantwortlichen lautet daher: „Schieben Sie das Thema nicht auf. Sprechen Sie mit Ihren Wartungsfirmen, lassen Sie prüfen, was machbar ist. Und setzen Sie auf Lösungen, die auch dann funktionieren, wenn keiner mehr daran denkt.“
Sichtprüfung durchführen: Gibt es Lichtkuppeln, Lichtbänder oder Dachöffnungen, die nicht durchsturzsicher sind?
Technische Nachrüstung klären: Können Elemente mit Gittern, Netzen oder Umwehrungen gesichert werden?
Gefährdungsbeurteilung aktualisieren: Wurde das Dach und seine Nutzung (z. B. PV-Anlage) in der aktuellen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt?
Wartung und Prüfung einplanen: Sind regelmäßige Kontrollen dokumentiert und externe Fachfirmen einbezogen?
Zugang und Rettung bedenken: Gibt es sichere Zugänge und ein Konzept für den Notfall – auch ohne Persönliche Schutzausrüstung?
Das haben viele Firmen inzwischen verstanden: Sie rüsten nach und machen ihre Dächer sicher. Ein Beispiel ist das Edelstahlservicecenter Aperam in Sersheim: Dort wurde nach mehreren tödlichen Unfällen in der Branche systematisch geprüft, wie sicher das Arbeiten auf den firmeneigenen Flachdächern ist. Nach einer Begehung der Dächer und einer Gefährdungsbeurteilung setzte man gemeinsam mit der BGHW und den internen Fachleuten technische Lösungen um. Das Resultat: Heute beginnt die Sicherheit schon beim Zugang aufs Dach. Rückenschutzleitern, fest installierte Geländer mit Gegengewichten, durchsturzsichere Gitter unter den Lichtkuppeln und Seilsicherungssysteme machen aus dem einstigen Risikoareal einen vorbildlich gesicherten Arbeitsplatz. Es sind praktische Lösungen ohne viel Luxus, aber mit viel Sicherheit für jedes Dach.
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