Verena mag ihren Job im Marketing eines großen Logistikunternehmens. Doch nach acht Stunden schaltet sie ihren Computer aus und geht erst mal mit ihrem Hund spazieren. Wer jetzt noch etwas von ihr möchte, muss sich bis zum nächsten Tag gedulden. Nachdem Verena vor drei Jahren kurz vor dem Burnout stand, ist sie nicht mehr bereit, die vielen Überstunden zu leisten, die in ihrem Job üblich und im Prinzip selbstverständlich sind. Sie erledigt ihre Aufgaben zuverlässig, engagiert sich aber darüber hinaus nicht für das Unternehmen. Ihre Gesundheit und ihre privaten Hobbys sind ihr wichtig, die Arbeit soll nicht ihr Leben bestimmen.
Arbeitswelt im Wandel
Die Corona-Pandemie, der Fachkräftemangel, Homeoffice und mobiles Arbeiten – unsere Arbeitswelt verändert sich rasant. Unternehmen und Führungskräfte müssen sich diesem Wandel stellen – ob sie wollen oder nicht. Dazu gehört auch der Begriff der Stillen Kündigung, der seit einiger Zeit im Internet und vor allem in den sozialen Medien diskutiert, interpretiert und kommentiert wird. Angefangen hat alles mit dem TikTok-Video eines jungen amerikanischen Software-Entwicklers, der sich auf der Plattform Zaid Khan nennt. Darin sagte er: „Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber auch nicht mehr, als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“
Ernstes Phänomen oder viel heiße Luft?
Scheinbar hat er mit seiner Aussage einen Nerv getroffen, sonst hätte der Post nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Doch wie ernst sollte man diesen Trend nehmen? „Menschen, die Dienst nach Vorschrift geleistet haben, gab es sicherlich immer schon,“ so Personalexpertin Bernadette Kramer. „Durch die sozialen Medien ist aber vieles stärker sichtbar. Der Begriff ist recht negativ konnotiert, aus einer anderen Perspektive könnte man das auch als eine gesunde Work-Life-Balance bezeichnen. Am Ende wird hier ein Trend sichtbar, der sich schon länger abzeichnet: Es geht nicht mehr darum, wer die meisten Überstunden macht.“ Auch habe die Corona-Pandemie das Privatleben für viele Menschen noch einmal stärker in den Fokus gerückt.
Generation Faulenzer?
Für Unternehmen wird es immer schwieriger, junge Talente für sich zu begeistern. Doch ist die junge Generation Z wirklich nicht mehr bereit, engagiert zu arbeiten, weil sie sich dank des viel propagierten Fachkräftemangels die Jobs aussuchen kann? „Schon der Gen Y wurde zugeschrieben, auf einen hohen Verdienst, lange Arbeitszeiten und Ähnliches nicht mehr so viel Wert zu legen und dem Sinn, den man aus der eigenen Arbeit zieht, einen höheren Stellenwert beizumessen,“ erklärt Kramer. „Die Gen Z führt diese Themen weiter, aber das Spektrum ist insgesamt breit – vom High Performer bis zum Sich-treiben-Lasser.“
Insgesamt hat sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- hin zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Die Folge: Arbeitnehmende wünschen sich mehr denn je, dass individuell auf sie und ihre Bedürfnisse eingegangen wird.